Die Grundschule auf sechs Jahre verlängern?

Presseecho

Mehr Personal, mehr Geld, ein Eignungstest für Lehramtsanwärter und ein integratives Schulsystem, das Kinder bis zur sechsten Klasse auf der Grundschule belässt. Das war die Wunschliste von Teilnehmern der SPD-Podiumsdiskussion zum Thema "Bildung" im Bürgersaal Edingen.
Dr. Frank Mentrup, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, nahm diese Hausaufgaben gern mit nach Stuttgart. Im Wesentlichen deckt sich die Liste mit den Plänen der Landtagsfraktion, die einen Bildungsaufbruch in Baden-Württemberg mit dem Tenor "Bessere Bildung für alle" fordert.

SPD-Ortsvereinsvorsitzender Thomas Zachler sprach von einem "bunten Flohmarkt der Bildungspolitik". Kein Wunder angesichts der unterschiedlichen Wege, die die Länder einschlagen: So schafft Rheinland-Pfalz die Hauptschulen ab, während die Landesregierung in Baden-Württemberg am dreigliedrigen Schulsystem festhält. "Kein Jugendlicher darf verlorengehen", so Zachler. Man müsse vielmehr das Individuum in den Vordergrund stellen, Stärken betonen und Schwächen ausgleichen.

Das geht nicht, so lange deutsche Schüler nach der vierten Klasse selektiert werden. Zu früh, gerade für Jungs, sagte Mentrup. Das Podium, besetzt mit den Schulleitern Endrik Ebel (Pestalozzi Grund- und Hauptschule Edingen), Eckhard Kamm (Ottheinrich Gymnasium Wiesloch) sowie der Elternbeiratsvorsitzenden Katrin Bugla (Carl-Benz-Gymnasium Ladenburg/CBG) stimmte ihm zu.

Die Trennung nach vier Jahren ist nahezu einzigartig, und Mentrup stellte die Frage, ob dieser deutsche Sonderweg noch seine Berechtigung hat. Trotz der demografischen Entwicklung mit 20 Prozent sinkenden Schülerzahlen muss der internationale Vergleich erlaubt sein. Moderator Dr. Kurt Stenzel zitierte Bildungsforscher Andreas Schleicher: "In Deutschland wird versucht, Bildungsinhalte des 21. Jahrhunderts von Lehrern des 20. Jahrhunderts im Schulsystem des 19. Jahrhunderts zu vermitteln." Das erfolgreiche Pisa-Land Finnland hat eine systemische Verankerung von Erfolg im Bildungssystem. Egal, in welcher Schulart und ungeachtet des sozialen Hintergrunds eines Schülers, wird dessen Potenzial ausgeschöpft. Im Gegensatz zu Deutschland, wo in Bildung zu wenig investiert wird.

Kamm sieht die Zukunft in Ganztagsschulen, wo ein System der Förderung eher möglich ist. Dabei müssen es nicht die Gymnasien sein, die zu Ganztagseinrichtungen werden. Hierzulande sind es oft die Eltern selbst, die gegen eine Änderung des Schulsystems votieren, wie Ebel bemerkte. Klar, Eltern von Realschülern und Gymnasiasten (insgesamt 70 Prozent) wehren sich gegen einen gemeinsamen Unterricht von starken und schwachen Lernern. "Hauptschule ist wie Pest und Cholera", schilderte Karin Bugla überspitzt die Meinung von Eltern.

"Es wäre vielleicht schlau, die Grundschule auf sechs Jahre zu verlängern", sagte Ebel. Das würde womöglich auch Schulen vor Ort erhalten. Bugla bestätigte, dass dies durchaus Thema bei Eltern sei. Sie findet es gleichzeitig wichtig, die Motivation der Schüler zu wecken. Das sei schwierig, wenn alle zusammen unterrichtet würden. Eine anwesende Studentin beklagte die mangelnde Praxisausbildung der künftigen Lehrer. Eine Mutter würde der Politik der Landesregierung "gerne einen Tritt geben", wusste aber nicht wie.

Mentrup riet Eltern und Lehrern zu Eingaben direkt ans Kultusministerium. Und er lud ein, den Bildungsaufbruch aktiv zu begleiten. Vor Ort sieht das zurzeit nicht ganz so gut aus. "Wir sind auf der Suche nach einer Realschule, die mit uns kooperiert", meinte Ebel. Doch für eine Verknüpfung der kommunalen Hauptschulen mit benachbarten Realschulen seien die Prognosen eher ungünstig.

Rhein-Neckar-Zeitung - 07.11.2007 - Nicoline Pilz