SPD-Podiumsdiskussion über die Zukunft der Schulen

Presseecho

Redner beklagen die starre Haltung des Landes
"Wir versuchen, die Schüler des 21. Jahrhunderts zu unterrichten durch Lehrer, die im 20. Jahrhundert ausgebildet wurden, in einem Schulsystem, das im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert stammt." Gewohnt provokativ eröffnete Moderator Dr. Kurt Stenzel das Forum "Bildungsaufbruch - Die Zukunft unserer Schulen" mit einem Zitat von Andreas Schleicher, internationaler Koordinator der PISA-Studien. Der Ortsverein der Sozialdemokraten hatte im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Einmal im Quartal" in den Bürgersaal des Rathauses eingeladen; mit beinahe fünfzig Besuchern nicht schlecht besucht, doch ein bisschen mehr Resonanz hätte man sich bei diesem Thema schon gewünscht.

Denn eine solide schulische Ausbildung geht alle an, ist sie doch Voraussetzung für eine funktionierende Volkswirtschaft. Folgerichtig ist sie zu einem Dogma geworden, das jeder Politiker, gleich welcher Position oder politischen Couleur auch immer, zumindest als Lippenbekenntnis verkündet. Welche Brisanz dieses Thema in sich birgt, zeigen Zahlen im nationalen und internationalen Vergleich, die zwangsweise zur Frage des Schulsystems führen.

Während die Stuttgarter Landesregierung sich ebenso vehement an das dreigliedrige System klammert wie die katholische Kirche an den Zölibat, nimmt nicht nur die SPD gegensätzliche Positionen ein. Neben den Genossen des Podiums kritisierten auch anwesende Eltern oder Lehramtsstudentinnen an diesem Abend die Politik von Kultusminister Helmut Rau und seinem Stab.

SPD-Ortschef Thomas Zachler konnte als Referenten den bildungspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion, Dr. Frank Mentrup, gewinnen. Ihm zur Seite saßen Karin Bugla, Elternbeiratsvorsitzende des Ladenburger Carl-Benz-Gymnasiums, Endrik Ebel, Rektor der Pestalozzi-Schule und Eckhart Kamm, Leiter des Ottheinrich-Gymnasiums in Wiesloch. Einhellig vertraten sie den Wunsch nach einer gemeinsamen fünften und sechsten Klasse, um einer verfrühten Selektion hinsichtlich der Folgeschulart Einhalt zu gebieten.

Obwohl Stuttgart für alle möglich Arten von Projekten offen sei, erläuterte Mentrup, verbiete das Ministerium ausdrücklich solche Versuche. Auch Kooperationen von Haupt- und Realschulen im Bereich der Hauptfächer sind untersagt. "Dabei sind wir," ergänzte Ebel, "international bis zur vierten Klasse mit dabei." Danach lasse die Motivation deutlich nach, vor allem die der Hauptschüler, die das Rennen verloren hätten.

Mentrup führte weiter aus, dass in anderen Ländern in junge Kinder, schon im vorschulischen Alter, mehr investiert werde. Im Gegenzug koste in diesen Ländern ein Schüler umso weniger, je älter er wird. In Deutschland sei es genau umgekehrt, was die Bildung zu einer Geldsache mache. "Dabei ist das Geld da, wenn man die Prioritäten richtig setzt. Rheinland-Pfalz hat es vorgemacht." Er plädierte für eine behutsame, sukzessive Zusammenführung von Haupt- und Realschulen -unter Berücksichtigung der lokalen und regionalen Gegebenheiten. Den Lehrkräften müsse darüber hinaus endlich die Grundlage dafür geschaffen werden, das Credo, dass kein Schüler verloren gegeben wird, umsetzen zu können.

Mannheimer Morgen - 08. November 2007 - Achim Wirths