Die Probleme sind hier wie dort dieselben

Europa

In Plouguerneau stand der Pfingstmontag ganz im Zeichen der kulturellen und vor allem sportlichen Vereinsaktivitäten. Gäste und Gastgeber der Begegnungswoche hatten die Wahl zwischen einem Handballwettbewerb, bretonischen Tänzen oder einem freundschaftlichen Petanque-Turnier, wobei immer ein deutscher und ein französischer Partner ein Team bildeten.

Die Chronistin spielte mit dem elfjährigen Vincent an ihrer Seite, und es gelang den beiden Anfängern immerhin, den allerletzten Platz zu vermeiden. Sobald jedoch einmal eine eigene Kugel ganz nah am Cochonnet, am kleinen "Schweinchen" lag, schoss sie einer der Profis aus den Bouleclubs von Edingen-Neckarhausen oder Plouguerneau treffsicher beiseite. Es war also nichts mit dem Jubiläumspokal für die RNZ.

Am Ende siegten Holger Haub und Patrice LeGuen, gefolgt von Stefanie Haub und Pascal L’Houn. Dritte wurden Bernd Hund und Anché Jollé. Das Handballturnier entschied die deutsche Mannschaft für sich. Mit Pokalen und Medaillen wurden später die Besten ausgezeichnet. Der Vormittag begann jedoch mit einem Treffen im Rathaus, wo Bürgermeister André Lesven und sein Amtskollege Roland Marsch erneut feststellten, dass die Probleme der Gemeinden hier wie dort im Prinzip dieselben sind.

Nachdem die bretonische Kommune rapide von 5000 auf 6200 Einwohner angewachsen ist und weiter bis auf über 7000 steigen soll, werden weitere Betreuungsplätze für Kinder benötigt. Denn seitdem die neue Umgehungsstraße nach Brest, der nächst größeren Stadt, fertig gestellt wurde, ziehen immer mehr Berufstätige von der Stadt aufs Land, wo die Lebensqualität höher ist. "Kinder sind auch bei uns ein großes Thema", bestätigte Marsch. Das Angebot in für Kleinkinder, Kinder und Schüler müsse auch in Deutschland erweitert werden. Lesven und Marsch betonten zugleich die Bedeutung des Naturschutzes. In der Bretagne sind 47 Kilometer Küste zu pflegen, in Edingen-Neckarhausen sind es der Neckar und seine Ufer.

Und der sonst eher zurückhaltende Lesven wurde ganz persönlich, als er auf die Partnerschaft zu sprechen kam: "Die Freundschaft zwischen uns ist mir sehr wichtig!" Marsch bestätigte: "Der menschliche Kontakt zwischen beiden Gemeinden ist wichtig – dafür ist das heute ein schönes Forum." Geschenke wurden gewechselt, und man machte sich auf den Weg zur neuen Mediathek, die am 1. September eröffnet wird. 1,6 Millionen kostet der hochmoderne Bau, wo in heller und freundlicher Atmosphäre Bücher ausgeliehen und Computer mit Internetzugang genutzt werden können.

Manche nutzten die Gelegenheit und schauten sich unter www.plouguerneau.fr die neue Homepage der Gemeinde an, die seit vier Tagen in Betrieb ist. Im Areal der Mediathek entstehen außerdem Wohnhäuser, ein Kindergarten und womöglich eine weitere Kulturhalle für 1000 Personen. Am Abend fand eine der beiden Veranstaltungen statt, die im schon im Vorfeld als Höhepunkte der Begegnungswoche gehandelt wurden. Nach dem Theater der Jugend ("Briefe vom 6. Juni"), am Vortag mit dem Preis der Jumelage ausgezeichnet, gingen nicht wenige eher still nach Hause, weil sie ergriffen, aufgewühlt und sprachlos waren.

"Der Krieg ist keine Männersache, der Krieg ist eine Sache der Jugend", begann eine Stimme im Hintergrund den Abend. Mit Bildern, kleinen Filmen, Musik und Schauspiel erzählte die deutsch-französische Gruppe von jungen Menschen während des Zweiten Weltkrieges: Schicksale von Franzosen, Amerikanern, Engländern und Deutschen, die in einem wahnsinnigen Krieg in Frankreich ihr Leben ließen. Reale Personen wie der damals 18-jährige Roger Coz beispielsweise, Urgroßvater von Betty Coz, die auf französischer Seite die Proben managte. Die Leitung der deutschen Schauspielgruppe hatte Anabelle Hund, Regisseur war Goulhan Kervela.

Bemerkenswert und beeindruckend die Umsetzung dieser Idee und höchst interessant, dass sich die Jugendlichen dem schweren Thema "Zweiter Weltkrieg" widmeten. Wenngleich manches Klischee doch ein weiteres Mal strapaziert wurde (Bombenhagel und dramatische Chorgesänge haben wirklich nichts gemein) und ein wenig der Ausblick in die Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen oder wenigstens die der Jumelage fehlte, so waren die meisten Zuschauer sehr fasziniert. Als Anabelle Hund am Ende ihre Stimme durch den Saal schweben ließ, waren die Zuschauer tief bewegt.

Vorgestern besichtigten dann verschiedene Gruppen eine Ziegenkäse-, eine Tomaten- und eine Kosmetikfabrik. Gestern genossen die Teilnehmer den Ganztagesauflug auf die Insel "Ile de Batz".

Rhein-Neckar-Zeitung - 31.05.2007 - Nicoline Pilz